Jedes dritte Feld nicht bestellt

0
505
Spread the love

KORNKAMMER UKRAINE

Die Folgen des Ukraine-Krieges für die globale Nahrungsmittelsicherheit werden zunehmend sichtbar. Die Vereinten Nationen warnen bereits vor einer globalen Lebensmittelkatastrophe, weil etwa 30 Prozent der ukrainischen Agrarflächen nicht bestellt werden können. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres erhöht unterdessen den Druck auf Moskau, Getreideexporte aus der Ukraine nicht weiter zu blockieren. Moskau junktimiert das jedoch mit den westlichen Sanktionen.Online seit gestern, 23.07 Uhr (Update: gestern, 23.19 Uhr)Teilen

Die Lage ist dramatisch angesichts der Rekordzahl an Hungerleidenden in der ganzen Welt. Einerseits kann in den großen ukrainischen Speichern gelagertes Getreide wegen der russischen Blockade derzeit nicht oder nur über Umwege und in viel geringerem Ausmaß etwa nach Afrika exportiert werden. Andererseits droht sich die Lage im Herbst, wenn die heurigen Ernteausfälle schlagend werden, noch dramatisch zu verschärfen. Das US-Landwirtschaftsministerium geht bei Weizen von kriegsbedingten Ernteeinbußen von rund einem Drittel aus.

Nach Zahlen aus der Ukraine selbst (Stand: 12. Mai) gingen die bestellten Flächen um mehr als 40 Prozent zurück. Dabei fällt der Anbaurückgang nicht bei allen Feldfrüchten so dramatisch aus, wobei auch Unsicherheiten bei den Zahlen mit Blick auf die von Russland besetzten Gebiete bestehen.

Bei Wintergetreide liegen die Aussaatflächen mit 7,6 Millionen Hektar nur um 300.000 Hektar unter denen des Vorjahres. Bei Sommerweizen seien im Vergleich zum Vorjahr mit 187.500 Hektar nur zweieinhalb Prozent weniger Fläche ausgesät worden.

Weizenernte in der Ukraine
Ukraine ist weltweit einer der wichtigsten Getreideexporteure

Drastischer Einbruch bei Mais und Sonnenblumen

Stärker sei der Rückgang mit 32 Prozent bei der Sommergerste. Ein drastischer Rückgang ist vor allem bei Mais zu verzeichnen. Im Vergleich zum Jahr 2021 ist die Anbaufläche um 40 Prozent auf 3,2 Millionen Hektar geschrumpft. Und den vorliegenden Daten zufolge ist nur knapp die Hälfte der Vorjahresmenge bei Sonnenblumen ausgebracht worden. Nur 3,3 Millionen Hektar seien mit Sonnenblumen bestellt worden. Bisher war die Ukraine Weltmarktführer beim Export von Sonnenblumenöl.

Ein Rückgang um zwölf Prozent wurde bei Hafer registriert. Raps wurde etwa um 20 Prozent weniger angebaut. Bei den für Viehfutter wichtigen Sojabohnen liegt der Rückgang bei 43 Prozent. Einschneidend ist auch der Einbruch beim Anbau von Buchweizen. Das einst traditionelle Getreide wurde den ukrainischen Daten nach nur noch auf 12.200 Hektar gesät – ein Einbruch um 85 Prozent. Stark ist der Rückgang auch mit 21 Prozent bei Kartoffeln. Sie werden noch auf einer Million Hektar angebaut.

Keine Daten zu Luhansk

In seiner Mitteilung hat das ukrainische Agrarministerium das gesamte umkämpfte ostukrainische Gebiet Luhansk herausgenommen. Keine Angaben machte das Ministerium zur Datenlage für die teils besetzten, teils umkämpften ostukrainischen und südukrainischen Gebiete Donezk, Saporischschja und Cherson. Cherson ist dabei traditionell ein Zentrum für Obst- und Gemüseanbau.

Süßkirschen aus Melitopol und Melonen werden kaum den Weg in die nicht besetzte Ukraine finden. Bereits jetzt klagen die südukrainischen Bauern über den fehlenden Absatz für ihre Frühkartoffeln, und in den Landesteilen, die nicht umkämpft oder besetzt sind, steigen die Preise für das sonst aus der Südukraine stammende Gemüse.

Ausfuhren dramatisch eingebrochen

Und die ukrainische Getreideausfuhr geht weiter dramatisch zurück. Die Exporte erreichten nach offiziellen Angaben im Mai bisher nur gut ein Drittel der Menge im Vorjahreszeitraum. Zunächst seien 643.000 Tonnen exportiert worden, teilte das Landwirtschaftsministerium mit. Darunter seien etwa 617.000 Tonnen Mais und 16.000 Tonnen Weizen. Im Mai 2021 seien dagegen 1,8 Millionen Tonnen Getreide ins Ausland geliefert worden.

Guterres appelliert an Moskau

UNO-Chef Guterres fordert nun erneut von Russland, „den sicheren Export von in ukrainischen Häfen gelagertem Getreide“ zuzulassen. Laut deutschen Angaben blockiert Moskau aktuell die Ausfuhr von 20 Mio. Tonnen Getreide, großteils im Hafen von Odessa. Der von Russland begonnene Krieg drohe viele Millionen Menschen in eine Ernährungsunsicherheit zu stürzen und eine Krise auszulösen, „die Jahre andauern könnte“. Zusammen produzieren die Ukraine und Russland laut Guterres fast ein Drittel des Weizens und der Gerste der Welt und die Hälfte des Sonnenblumenöls.

Den Vereinten Nationen zufolge hat der weltweite Hunger einen neuen Höchststand erreicht: „In nur zwei Jahren hat sich die Zahl der Menschen mit starker Ernährungsunsicherheit verdoppelt, von 135 Millionen vor der Pandemie auf heute 276 Millionen“, meinte Guterres.

Baerbock wirft Moskau „Kornkrieg“ vor

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warf Russland vor, einen „Kornkrieg“ zu führen und die Blockade von Getreideexporten als Kriegswaffe einzusetzen. Damit fache Russland eine „globale Nahrungsmittelkrise“ an, so Baerbock.

Tatsächlich junktimierte Moskau am Donnerstag eine mögliche Öffnung ukrainischer Häfen für die Ausfuhr von Getreide an eine teilweise Aufhebung der westlichen Sanktionen. „Wenn unsere Partner eine Lösung erreichen wollen, dann müssen auch die Probleme gelöst werden, die mit einer Aufhebung jener Sanktionen verbunden sind, die auf den russischen Export gelegt wurden“, so der russische Vizeaußenminister Andrej Rudenko.

USA und Russland mit gegenseitigen Vorwürfen

US-Außenminister Antony Blinken warf Moskau auf einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrates am Donnerstag vor, die Lebensmittelversorgung „von Millionen Ukrainern und Millionen weiterer Menschen auf der ganzen Welt“ in Geiselhaft zu nehmen.

„Hören Sie auf, Ländern, die Ihren Angriffskrieg kritisieren, mit einem Exportstopp für Lebensmittel und Düngemittel zu drohen“, fügte Blinken hinzu. Er forderte Russland auf, die Ausfuhr von ukrainischem Getreide zuzulassen, das in Häfen am Schwarzen Meer blockiert wird.

Der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensia wies die Vorwürfe zurück. Die Welt leide infolge einer Inflationsspirale seit Langem unter einer Nahrungsmittelkrise. Diese sei durch steigende Versicherungskosten, logistische Engpässe und Spekulationen auf westlichen Märkten verursacht worden. Sanktionen westlicher Länder verschärften die weltweite Ernährungslage.

Russland will „Verpflichtungen erfüllen“

„Auf der einen Seite werden verrückte Sanktionen gegen uns verhängt, auf der anderen Seite fordern sie Lebensmittellieferungen. So funktioniert das nicht, wir sind keine Idioten“, erklärte Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew später auf Telegram.

Russland sei bereit, seine „Verpflichtungen in vollem Umfang zu erfüllen“, aber es erwarte auch „Unterstützung von seinen Handelspartnern“, fügte der heutige stellvertretende Vorsitzende des russischen Nationalen Sicherheitsrates hinzu. „Die Länder, die unseren Weizen und andere Lebensmittel importieren, werden es ohne Lieferungen aus Russland sehr schwer haben“, erklärte der Ex-Präsident. „Und auf europäischen und anderen Feldern wird ohne unsere Düngemittel nur saftiges Unkraut wachsen.“

Links:

Every third field not tilled

The consequences of the Ukraine war for global food security are becoming increasingly visible. The United Nations is already warning of a global food catastrophe because some 30 percent of Ukraine’s agricultural land cannot be tilled. UN Secretary-General Antonio Guterres, meanwhile, is increasing pressure on Moscow to stop blocking grain exports from Ukraine. However, Moscow junkets this with the Western sanctions.

Online since yesterday, 23:07 (Update: yesterday, 23:19).
Share

The situation is dramatic given the record number of people suffering from hunger around the world. On the one hand, grain stored in the large Ukrainian warehouses can currently not be exported, or only via detours and to a much lesser extent, for example, to Africa, because of the Russian blockade. On the other hand, the situation threatens to worsen dramatically in the fall, when this year’s crop failures become apparent. The U.S. Department of Agriculture estimates that wheat harvests will be down by around one-third due to the war.

According to figures from Ukraine itself (as of May 12), cultivated areas were down by more than 40 percent. The decline in cultivation is not as dramatic for all crops, although there are also uncertainties in the figures with regard to the areas occupied by Russia.

For winter cereals, the area sown is only 300,000 hectares lower than the previous year at 7.6 million hectares. For spring wheat, only two and a half percent less area had been sown compared to last year, at 187,500 hectares.

Wheat harvest in Ukraine
Reuters/Amit Dave
Ukraine is one of the world’s top grain exporters
Drastic slump in corn and sunflowers
The decline was sharper for spring barley, at 32 percent, he said. A drastic drop has been seen especially in corn. Compared to 2021, acreage has shrunk by 40 percent to 3.2 million hectares. And according to the available data, only just under half of the previous year’s quantity has been planted with sunflowers. Only 3.3 million hectares have been planted with sunflower. Until now, Ukraine was the world leader in the export of sunflower oil.

A twelve percent decrease was registered for oats. Rapeseed was cultivated about 20 percent less. Soybeans, which are important for livestock feed, declined by 43 percent. The slump in the cultivation of buckwheat is also dramatic. According to Ukrainian data, this once traditional cereal was sown on only 12,200 hectares – a drop of 85 percent. The decline is also sharp for potatoes, at 21 percent. They are still grown on one million hectares.

No data on Luhansk
In its communication, the Ukrainian Ministry of Agriculture excluded the entire embattled eastern Ukrainian region of Luhansk. The ministry did not provide data for the partly occupied, partly contested eastern Ukrainian and southern Ukrainian regions of Donetsk, Zaporizhzhya and Kherson. Kherson is traditionally a center for fruit and vegetable growing.

Sweet cherries from Melitopol and melons will hardly find their way to unoccupied Ukraine. Already, southern Ukrainian farmers are complaining about the lack of sales for their early potatoes, and in the parts of the country that are not contested or occupied, prices for the vegetables that normally come from southern Ukraine are rising.

Exports slump dramatically
And Ukrainian grain exports continue to fall dramatically. According to official data, exports so far in May reached just over a third of the volume in the same period last year. Initially, 643,000 tons were exported, the Ministry of Agriculture said. Among them, about 617,000 tons of corn and 16,000 tons of wheat, it said. In May 2021, on the other hand, 1.8 million tons of grain had been shipped abroad.

Guterres appeals to Moscow
UN chief Guterres is now again calling on Russia to allow “the safe export of grain stored in Ukrainian ports.” According to German sources, Moscow is currently blocking the export of 20 million tons of grain, most of it in the port of Odessa. The war started by Russia threatens to plunge many millions of people into food insecurity and trigger a crisis “that could last for years,” he said. Together, Ukraine and Russia produce nearly one-third of the world’s wheat and barley and half of the world’s sunflower oil, according to Guterres.

According to the United Nations, global hunger has reached a new high: “In just two years, the number of people facing severe food insecurity has doubled, from 135 million before the pandemic to 276 million today,” Guterres opined.

Baerbock accuses Moscow of “grain war”
German Foreign Minister Annalena Baerbock (Greens) accused Russia of waging a “grain war” and using the blockade of grain exports as a weapon of war. In doing so, Russia is fueling a “global food crisis,” Baerbock said.

Indeed, Moscow on Thursday junked a possible opening of Ukrainian ports for grain exports to a partial lifting of Western sanctions. “If our partners want to reach a solution, then the problems associated with lifting those sanctions placed on Russian exports must also be solved,” Russian Deputy Foreign Minister Andrei Rudenko said.

U.S. and Russia with mutual accusations
U.S. Secretary of State Antony Blinken accused Moscow at a U.N. Security Council meeting Thursday of holding hostage the food supply of “millions of Ukrainians and millions more around the world.”

“Stop threatening countries that criticize your war of aggression with an export ban on food and fertilizer,” Blinken added. He called on Russia to allow exports of Ukrainian grain blockaded at Black Sea ports.

Russia’s UN Ambassador Vasily Nebensia rejected the accusations. The world has been suffering from a food crisis for a long time as a result of an inflationary spiral. This, he said, was caused by rising insurance costs, logistical bottlenecks and speculation on Western markets. Sanctions imposed by Western countries exacerbated the global food situation.

Russia wants to “fulfill obligations”
“On the one hand, they impose crazy sanctions on us, on the other hand, they demand food supplies. That’s not how it works, we are not idiots,” Russia’s former President Dmitry Medvedev later said on Telegram.

Russia is ready to “fulfill its obligations in full,” but it also expects “support from its trading partners,” the current deputy chairman of Russia’s National Security Council added. “The countries that import our wheat and other food products will have a very hard time without supplies from Russia,” the ex-president said. “And European and other fields will grow only lush weeds without our fertilizers.”

Links:
Ukrainian Ministry of Agriculture
UN
German Foreign Minister